Studien ab 1997
Begleitforschung zur Kommunikation der Corona-Schutzimpfung in Deutschland (CoSiD) - medizinisches Personal
Deutschlandweite Zusatzbefragung des medizinischen und pflegerischen Personals im Juli 2021
Erscheinungsdatum: März 2022
Ergebnisse (barrierefreies PDF-Dokument)
Projekttitel
Begleitforschung zur Kommunikation der Corona- Schutzimpfung in Deutschland (CoSiD), 1. Befragung: Zusatzmodul "Medizinisches und pflegerisches Personal mit Patientenkontakt"
Ziele
Untersuchung des Wissens, der Einstellungen, der Informiertheit und des Verhaltens von medizinischem und pflegerischem Personal bezogen auf die Corona-Schutzimpfung
Untersuchungsmethodik
Deutschlandweite Befragung von medizinischem und pflegerischem Personal ab 17 Jahren
Verfahren der Datenerhebung
Onlinebefragung (CAWI)
Auswahlverfahren
Auswahl aus aktiv rekrutierten Online-Access-Panels (Norstat und Bilendi)
Stichprobengröße
n=506 Befragte
Befragungszeitraum
9. Juli bis 5. August 2021
Interviewprogrammierung, Stichprobenziehung, Datenerhebung, Gewichtung
INFO GmbH Markt- und Meinungsforschung
Studienplanung, Datenanalyse und Berichterstattung
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln
Referat Q3 -Evaluation, Methoden, Forschungsdaten
Dr. Carolin Muschalik, Christina Merkel, Boris Orth, Dr. Jutta Düsing und Dr. Ursula von Rüden
Im Rahmen der Begleitforschung zu den nationalen Kommunikationsmaßnahmen zur Corona- Schutzimpfung in Deutschland (CoSiD) wurden in der ersten Befragung im Juli 2021 neben der Allgemeinbevölkerung auch 506 Personen, die als medizinisches und/oder pflegerisches Personal mit Patientenkontakt tätig waren (im Folgenden abgekürzt als „medizinisches Personal“), mittels computergestützter webbasierter Online-Interviews (CAWI) befragt.
CORONA-SCHUTZIMPFUNG: VERHALTEN, ABSICHT UND GRÜNDE
Im Befragungszeitraum Juli 2021 gaben 82 % des befragten medizinischen Personals an, mindestens eine Corona-Schutzimpfung erhalten zu haben; ungefähr drei Viertel hatten bereits zwei Impfungen erhalten (76 %). Dieser Anteil war insgesamt höher als der Anteil Geimpfter in der Allgemeinbevölkerung zum gleichen Zeitpunkt. Hier waren 77 % mindestens einmal geimpft, und 56 % hatten zwei Impfungen erhalten. Damit waren zum Erhebungszeitraum 18 % des befragten medizinischen Personals ungeimpft. In Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen fanden sich mit etwa einem Viertel die meisten noch Ungeimpften. Vom ungeimpften medizinischen Personal wollte sich knapp ein Drittel auf keinen Fall impfen lassen (32 %). Nur 13 % hatten noch vor, sich auf jeden Fall oder eher impfen zu lassen. Der Anteil Ungeimpfter, die sich noch impfen lassen wollten, war in der Allgemeinbevölkerung zum gleichen Zeitpunkt bei insgesamt etwas niedrigerer Impfrate allerdings deutlich höher (27 %). Ungeimpftes medizinisches Personal mit Kontakt zu COVID-19 Patienten zeigte keine höhere Impfabsicht als medizinisches Personal ohne Kontakt zu COVID-19 Patienten (14 % und 13 %).
Die Gründe für eine Impfung bei medizinischem Personal, das der Impfung positiv gegenüberstand, waren: der persönliche Schutz vor Ansteckung (48 %), der Wunsch nach mehr (Bewegungs-) Freiheiten (36 %) und der persönliche Schutz vor schweren Krankheitsverläufen (18 %). Gründe gegen eine Impfung bei denjenigen, die die Impfung eher ablehnten, waren: der zu wenig erforschte Impfstoff (63 %), mögliche Nebenwirkungen (45 %) sowie unbekannte Langzeitfolgen (40 %).
Im Gegensatz zur ungeimpften Allgemeinbevölkerung (23 %) hatte die Mehrheit des ungeimpften medizinischen Personals bereits ein konkretes Impfangebot erhalten, dieses aber nicht genutzt (62 %).
RISIKOEINSCHÄTZUNG UND INFEKTION
Ein Viertel des medizinischen Personals (26 %) hielt es für (extrem) wahrscheinlich, sich zukünftig mit dem Coronavirus zu infizieren. Allerdings waren dieser Auffassung eher Geimpfte (28 %) als Ungeimpfte (18 %). Außerdem hielt mehr Personal mit Kontakt zu COVID-19 Patienten (32 %) dies für wahrscheinlich als Personal ohne Kontakt zu COVID-19 Patienten (21 %). Nach Einrichtung unterschieden war der Anteil derer, die eine Infektion für unwahrscheinlich hielten, in Pflegeeinrichtungen und ambulanten Pflegediensten höher (56 %) als in anderen Einrichtungen (Krankenhaus 52 %; Arztpraxen/medizinische Versorgungszentren 46 %; andere Einrichtungen 39 %).
Geimpftes medizinisches Personal schätzte die persönliche Gesundheitsgefährdung durch das Coronavirus deutlich höher ein als ungeimpftes medizinisches Personal (47 % und 24 %).
EINSTELLUNGEN ZUR CORONA-SCHUTZIMPFUNG
Die Mehrheit des medizinischen Personals gab eine positive Einstellung zur Corona-Schutzimpfung an; allerdings gab es starke Unterschiede in Abhängigkeit vom Impfstatus: Ungeimpftes Personal sah sich weniger in der Verantwortung, die Verbreitung des Virus zu verlangsamen, betrachtete das Impfen weniger als eine gemeinschaftliche Aufgabe, hielt den Impfstoff für weniger wirksam und sicher, hatte weniger Vertrauen in die Impfung und in staatliche Behörden und betrachtete die Impfung häufiger als überflüssig. Krankenhauspersonal hatte mehr Vertrauen in die Wirksamkeit der Corona-Schutzimpfung als Personal aller anderen Einrichtungen und fühlte sich stärker verantwortlich dafür, die Verbreitung des Virus zu stoppen, als Personal aus Pflegeeinrichtungen oder Arztpraxen.
Je nach Impfstatus nahm das medizinische Personal auch die Einstellung seines kollegialen Umfeldes zum Impfen unterschiedlich wahr: während 83 % des geimpften Personals sein kollegiales Umfeld bezüglich der Corona-Schutzimpfung als befürwortend wahrnahm, traf dies nur auf 28 % des ungeimpften Personals zu. Geimpftes medizinisches Personal gab auch deutlich häufiger an, mehr Kolleginnen und Kollegen im Umfeld zu haben, die bereits geimpft waren oder dies noch vorhatten (84 %) als ungeimpftes medizinisches Personal (48 %).
Den Aufwand, eine Corona-Schutzimpfung zu erhalten, bewertete ungeimpftes und geimpftes medizinisches Personal als ähnlich gering. Die Allgemeinbevölkerung hielt dies unabhängig vom eigenen Impfstatus zum gleichen Zeitpunkt für aufwändiger.
GESUNDHEITSKOMPETENZ UND INFORMATIONSVERHALTEN
80 % des medizinischen Personals fühlte sich über die Corona-Schutzimpfung (sehr) gut informiert. Dieser Anteil war nur unwesentlich höher als in der Allgemeinbevölkerung (76 %) zum gleichen Zeitpunkt. Beim ungeimpften medizinischen Personal war jedoch der Anteil derer, die sich gut informiert fühlten (55 %), deutlich geringer als beim geimpften Personal (86 %).
72 % des medizinischen Personals fühlte sich (sehr) gut darauf vorbereitet, Patienten über die Corona- Impfung zu informieren; ungeimpftes Personal gab dies jedoch deutlich seltener an als geimpftes Personal (47 % gegenüber 78 %).
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung fiel es medizinischem Personal leichter, Informationen zur Corona-Schutzimpfung zu finden, zu verstehen und zu beurteilen. Allerdings fiel es ihm ähnlich schwer wie der Allgemeinbevölkerung, sich basierend auf den Informationen für oder gegen eine Impfung zu entscheiden.
VERTRAUEN IN INSTITUTIONEN
Im Umgang mit dem Coronavirus sprach das medizinische Personal der Wissenschaft und dem Robert Koch-Institut das meiste Vertrauen aus (jeweils 67 %), gefolgt von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (56 %). Das geringste Vertrauen wurde den Medien (19 %) zugesprochen.
Krankenhauspersonal äußerte mehr Vertrauen in die Wissenschaft (73 %) und das Robert Koch-Institut (75 %) als Personal aus Pflegeeinrichtungen (58 % und 59 %).
SCHLUSSFOLGERUNGEN
- Der Mehrheit des medizinischen Personals war zum Befragungszeitpunkt bereits ein Impfangebot unterbreitet worden. Dennoch lag im Juli 2021 der Anteil bereits vollständig geimpften medizinischen Personals in Arztpraxen oder Pflegeeinrichtungen (anders als beim Krankenhauspersonal) nur auf etwa dem gleichen Niveau wie in der Allgemeinbevölkerung. Diese hatte allerdings zum gleichen Zeitpunkt mehrheitlich noch kein Impfangebot erhalten.
- Ungeimpftes medizinisches Personal kann über seine engen Kontakte besonders vulnerable Patientinnen und Patienten (alte Menschen, chronisch kranke Menschen) durch eine Übertragung des Virus gefährden. Daher sollte es von einer Impfung überzeugt und zu einer Impfung motiviert werden. Die Notwendigkeit der Erhöhung der Impfquote betrifft insbesondere medizinisches Personal in Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen.
- Der individuelle Entscheidungsprozess des medizinischen Personals aus Arztpraxen und Pflegeeinrichtungen in Bezug auf die eigene Impfung sollte stärker unterstützt werden. Sofern Entscheidungen bei den noch nicht Geimpften durch einen höheren Informationsstand unterstützt werden können, ist eine gezieltere Verbreitung bereits vorhandenen Informationsmaterials wichtig.
- Vertrauenswürdige Multiplikatoren zur Unterstützung individueller Entscheidungsprozesse in Praxen und Pflegeeinrichtungen sind Ärzte oder andere Führungskräfte. Sie können in persönlichen Gesprächen die Notwendigkeit der Impfung transparent und frei von Widersprüchen erläutern und zur Verantwortungsübernahme des medizinischen und pflegerischen Personals motivieren. Dem liegt zugrunde, dass ein impfpositives kollegiales Umfeld eine positive Einstellung zum Impfen bestärken kann.