Studien ab 1997
Empfehlungen für Kommunikationsmaßnahmen gegen die Pandemiemüdigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen
Ergebnisse zweier Online-Befragungen und eines systematischen Literaturüberblicks
Projekttitel
Empfehlungen für Kommunikationsmaßnahmen gegen die Pandemiemüdigkeit bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen – Ergebnisse zweier Online-Befragungen und eines systematischen Literaturüberblicks
Ziele
- Identifizierung von Ursachen der Pandemiemüdigkeit jüngerer Menschen und verhaltenswirksamen Botschaftsinhalten zur Steigerung der Absicht Schutzmaßnahmen einzuhalten
- Erreichbarkeitsplanung für die Zielgruppe
- Ableitung einer Kommunikationsstrategie für die Ansprache Jugendlicher und junger Erwachsener in Deutschland in der Corona-bezogenen Risikokommunikation
Untersuchungsmethodik
Methodenkombination:
- teilstandardisierte Online-Befragung von N = 89 14- bis 29-Jährigen
- standardisierte Online-Befragung von N = 984 14- bis 29-Jährigen
- systematischer Literaturüberblick
Die Rekrutierung und Datenerhebung der standardisierten Online-Befragung erfolgte über den Access Panel Anbieter Gapfish GmbH und fand zwischen dem 21. und 30.12.2020 statt.
Durchführung
Prof. Dr. Constanze Rossmann, Dr. des. Anne Reinhardt & Winja Weber, M.A.
Universität Erfurt
Seminar für Medien- und Kommunikationswissenschaft
Nordhäuser Str. 63
99089 Erfurt
Auftraggeberin
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Maarweg 149-161
50825 Köln
Das Coronavirus begleitet den Lebensalltag der Menschen nun schon seit mehr als einem Jahr. Mehrwellige Studien zeigen, dass sich seit einiger Zeit eine gewisse „Pandemiemüdigkeit“ in der deutschen Bevölkerung feststellen lässt, die sich in einer geringeren Motivation äußert, die empfohlenen Schutzmaßnahmen einzuhalten. Dies betrifft insbesondere jüngere Menschen. Aus diesem Grund ist es notwendig, neben adäquaten Regulierungsmaßnahmen, eine wirksame Krisenkommunikation an die junge Zielgruppe zu etablieren. Da die Wirksamkeit von Kommunikationsmaßnahmen von zahlreichen Faktoren abhängt, ist eine theorie- und evidenzbasierte Planung essentiell, um die anvisierten Ziele zu erreichen. Für die Herleitung der vorliegenden Empfehlungen wurde entsprechend zunächst ein theoretisches Modell zur Erklärung des Schutzverhaltens junger Menschen entwickelt und dieses in zwei Teilstudien empirisch geprüft, um so verhaltenswirksame Botschaftsinhalte abzuleiten. Ergänzt wurde dies um eine Erreichbarkeitsanalyse der Zielgruppe und eine systematische Literaturrecherche zur Wirksamkeit unterschiedlicher Darstellungsformen von Botschaften.
Konkret wurde die Theorie des geplanten Verhaltens als theoretisches Ausgangsmodell herangezogen. Sie zeigt sowohl auf, welche Faktoren ein Verhalten beeinflussen, als auch, welche Vorstellungen diesen Faktoren zugrunde liegen. Das Modell wurde mit weiteren, im Krisenkontext relevanten, Theorien kombiniert, so dass es auch Risikowahrnehmung und Wissen integriert.
Mit einer Methodenkombination aus einer teilstandardisierten Online-Befragung von N = 89 jungen Erwachsenen und einer darauf aufbauenden standardisierten Online-Befragung von N = 984 14- bis 29-Jährigen wurden die entscheidenden Verhaltensdeterminanten und die präferierten Medienkanäle identifiziert. Ein systematischer Literaturüberblick untersuchte darüber hinaus, welche Appellformen sich eignen, um die junge Zielgruppe zu adressieren.
Die Ergebnisse zeigen, dass die Bereitschaft zur Einhaltung der Schutzmaßnahmen bei den 14- bis 29- Jährigen in Deutschland primär von drei Faktoren abhängt: ihrer Risikowahrnehmung, ihrem Wissen und ihrer instrumentellen Einstellung. Als besonders relevant stellten sich dabei die folgenden Vorstellungen heraus: Je eher junge Personen wahrnehmen, dass sie durch die Umsetzung der Maßnahmen (1) sich selbst schützen können, (2) Infektionsketten und damit das Virus eindämmen können und (3) im Sinne einer Selbstdarstellung anderen zeigen können, dass sie die Pandemie ernst nehmen, desto stärker ist auch ihre Verhaltensintention. Die Analysen zeigen zudem, dass die Intention auch dann steigt, wenn Jugendliche und junge Erwachsene eine eigene Erkrankung mit dem Coronavirus als schwerwiegender einschätzen. Dieser Befund spiegelt sich auch im Wissen über das Virus wider: Hier wirkt sich vor allem das Falschwissen, Corona sei nur wie eine Grippe, negativ auf die Verhaltensintention aus. In Bezug auf die Erreichbarkeitsplanung weisen die Befunde der standardisierten Online-Befragung darauf hin, dass die 14- bis 29-Jährigen in Deutschland insbesondere über digitale Medienkanäle adressiert werden sollten, insbesondere Social Media (z. B. WhatsApp, Instagram und YouTube).
Aus dem systematischen Literaturüberblick lässt sich schließlich ableiten, dass sich Furchtappelle und Verlust-Frames bei jungen Zielgruppen unter bestimmten Bedingungen zur Förderung des coronabezogenen Schutzverhaltens eignen dürften – vor allem dann, wenn diese mit sachlichen Informationen, positiven Botschaften sowie klaren Handlungsempfehlungen kombiniert werden, um so potenziellen Reaktanzreaktionen entgegenzuwirken. Auch eine Aufbereitung der Botschaftsinhalte in narrativer Form erweist sich als vorteilhaft, wohingegen von der Nutzung von Humorappellen im Kontext von COVID-19 abgeraten werden muss.