Studien ab 1997
Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende 2016
Ergebnisse der Repräsentativbefragung 2016 und Trends seit 2012
Projekttitel
Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende
Ziele
Ermittlung der Entscheidungen und des Wissensstandes der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende, Erhebung der aktiven und passiven Akzeptanz der Organ- und Gewebespende, Ermittlung von anderen Indikatoren, die die Spendebereitschaft beeinflussen
Untersuchungsmethodik
Repräsentative Wiederholungsbefragung der 14- bis 75-jährigen Bevölkerung in Deutschland; Quotenstichprobe nach den repräsentativen Merkmalen Alter, Geschlecht und Region
Verfahren der Datenerhebung
Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Auswahlverfahren
Auf Basis des ADM-Telefonstichproben-Systems (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Marktforschungsinstitute)
Ausschöpfung
47,1 Prozent
Stichprobengröße
n = 4002
Befragungszeitraum
5. Januar bis 26. Februar 2016
Interviewprogrammierung, Stichprobenbeziehung, Datenerhebung, Gewichtung
forsa, Berlin
Studienplanung, Datenanalyse und Berichterstattung
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Köln
Referat 1-14 und Referat 2-25
Autoren: Dr. Anne-Laure Caille-Brillet, Charlotte K. M. Schielke, Volker Stander
Im Zeitraum Januar bis Februar 2016 wurde eine Befragung zu Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zum Thema Organ- und Gewebespende mit 4.002 Teilnehmern durchgeführt. Die Stichprobe setzte sich aus Probandinnen und Probanden im Alter von 14 bis 75 Jahren zusammen.
Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist eine generell positive Einstellung des Großteils der Befragten zum Thema Organ- und Gewebespende. Sowohl die passive als auch die aktive Akzeptanz der Organ- und Gewebespende sind sehr hoch. Die passive Akzeptanz erfasst die grundsätzliche Haltung der Befragten zum Thema Organ- und Gewebespende. Bei der aktiven Akzeptanz werden dagegen die tatsächlichen Handlungs- und Verhaltensweisen in Bezug auf das Thema Organ- und Gewebespende (z. B. die konkrete Spendebereitschaft) aufgenommen. Die passive Akzeptanz ist seit 2012 leicht angestiegen: 81 Prozent der Befragten standen 2016 einer Organ- und Gewebespende eher positiv gegenüber, 2012 waren es 78 Prozent. 10 Prozent der Befragten haben eine neutrale Einstellung und weitere 9 Prozent eine eher negative Einstellung zur Organ- und Gewebespende. Die aktive Akzeptanz ist seit 2012 konstant hoch: Grundsätzlich wären 69 Prozent der Befragten bereit, selbst Spenderin oder Spender zu werden. 22 Prozent wären damit nicht einverstanden.
Dennoch haben lediglich 58 Prozent aller Befragten eine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende getroffen. 36 Prozent haben ihren Entschluss zur Organ- und Gewebespende in einem Organspendeausweis und/oder einer Patientenverfügung dokumentiert. 22 Prozent haben zwar eine Entscheidung getroffen, diese aber nicht schriftlich fixiert. 41 Prozent haben bisher keine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende getroffen. Die individuellen Entscheidungen, ihre Dokumentation und die zugrunde liegenden Beweggründe wurden in der vorliegenden Untersuchung detailliert betrachtet.
Die generell hohe Akzeptanz der Organ- und Gewebespende spiegelt sich in den Entscheidungen zur Organ- und Gewebespende wider, die meistens zugunsten einer Einwilligung ausfallen. 74 Prozent derjenigen, die eine Entscheidung getroffen haben, stimmen einer Organ- und Gewebespende nach dem Tod zu, 18 Prozent widersprechen ihr, 4 Prozent übertragen die Entscheidung auf eine andere Person und ebenso viele machen eine andere Angabe. Wer seine Entscheidung schriftlich dokumentiert, z. B. auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung, stimmt einer Organ- und Gewebespende eher zu als Befragte, die ihre Entscheidung nicht dokumentiert haben.
Die Gründe, warum Personen einer Organspende zustimmen oder sie ablehnen, sind sehr unterschiedlich. Bei einer Zustimmung geben die meisten (77 Prozent) an, dass sie anderen Menschen helfen wollen und dem eigenen Tod einen Sinn geben möchten. Die Vorstellung, selbst als Spenderin oder Spender nicht geeignet zu sein sowie Unsicherheit bezüglich der Organentnahme sind die meist genannten Gründe für eine Ablehnung. Misstrauen gegenüber dem Organspendesystem und religiöse oder ethische Gründe werden ebenfalls häufig benannt. Der Hauptgrund für eine ausstehende Entscheidung ist meist eine unzureichende oder fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema. Auch die Vorstellung, selbst als Spenderin oder Spender nicht geeignet zu sein, wird, ebenso wie eine bestehende Unsicherheit bezüglich der Organentnahme, häufig genannt.
Von den Befragten, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, geben 80 Prozent an, diese Entscheidung auch jemandem mitgeteilt zu haben. In erster Linie wurde die Entscheidung Angehörigen, der Partnerin oder dem Partner (jeweils 58 Prozent) oder Freunden (19 Prozent) mitgeteilt. Die Befragten, die ihren Entschluss zur Organ- und Gewebespende bislang niemandem mitgeteilt haben, begründen dies damit, dass ihnen dazu bisher die Gelegenheit oder eine geeignete Ansprechperson fehlte oder dass sie sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen möchten.
Ein weiterer Schwerpunkt der Befragung war die Erhebung des Wissensstandes der Befragten zum Thema Organ- und Gewebespende. Es zeigt sich, dass ein Drittel der Befragten insgesamt gut bis sehr gut informiert ist. 61 Prozent sind eher mäßig und 6 Prozent schlecht über das Thema informiert. Je geringer das Bildungsniveau ist, desto niedriger ist im Durchschnitt der Wissensstand zur Organ- und Gewebespende.
Mehr als die Hälfte der Befragten fühlt sich gut bis sehr gut über das Thema Organ- und Gewebespende informiert. 38 Prozent fühlen sich weniger gut und 8 Prozent schlecht informiert. Mehr Informationen zum Thema Organ- und Gewebespende wünschen sich zwei Fünftel der Befragten. Jüngere Befragte stellen eine besondere Zielgruppe für die Aufklärungs-arbeit dar: 14- bis 25-Jährige fühlen sich schlechter informiert als ältere Befragte und wünschen sich mehr Informationen zum Thema Organ- und Gewebespende. Generell ist die Organspendebereitschaft in dieser jüngeren Altersgruppe hoch bzw. sogar höher als bei älteren Befragten.
Zwei Fünftel aller Befragten halten die Verteilung der postmortal gespendeten Organe für nicht gerecht. 84 Prozent der Befragten kennen die in den vergangenen Jahren publik gewordenen Unregelmäßigkeiten bei Organvergaben. Die Hälfte dieser Personen hat dadurch das Vertrauen in das deutsche Organspendesystem verloren.
Die Ergebnisse der Befragung zeigen, dass trotz einer generell positiven Einstellung in der Bevölkerung ein Informationsbedarf zum Thema Organ- und Gewebespende besteht. Der Anteil an Befragten mit einer dokumentierten Entscheidung ist mit 36 Prozent noch immer niedrig. Ziel der Aufklärungsarbeit der BZgA ist daher, die Zahl der dokumentierten Entscheidungen weiter zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Maßnahmen für die Allgemeinbevölkerung sowie für die Teilzielgruppen erarbeitet. Bestehende Maßnahmen werden angepasst und erweitert, neue Konzepte zusätzlich entwickelt. Eine Sensibilisierung für das Thema wird durch die Kombination von massenmedialen und personalkommunikativen Elementen herbeigeführt. Im Fokus dieser Aufklärungsarbeiten steht ein vereinfachter Zugang zum Thema Organ- und Gewebespende und zum Organspendeausweis.