Studien ab 1997
Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende 2020
Ergebnisse der Repräsentativbefragung 2020
Projekttitel
Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende
Ziele
- Ermittlung der Entscheidungen und des Wissensstandes der Allgemeinbevölkerung zur Organ- und Gewebespende
- Erhebung der Einstellung und Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende
- Ermittlung von anderen Indikatoren, die die Spendebereitschaft beeinflussen
Untersuchungsmethodik
In mehrjährigen Abständen wiederholte deutschlandweite Repräsentativbefragung der 14- bis einschließlich 75-jährigen Bevölkerung
Verfahren der Datenerhebung
Computergestützte Telefoninterviews (CATI)
Auswahlverfahren
Auswahl der Befragungspersonen durch eine mehrstufige Zufallsstichprobe auf Basis des ADM-Telefonstichproben-Systems
Ausschöpfung
46,3 %
Stichprobengröße
4.001 Befragte
Befragungszeitraum
1. April bis 22. Mai 2020
Interviewprogrammierung, Stichprobenziehung, Datenerhebung, Gewichtung
forsa.
Gesellschaft für Sozialforschung und statistische
Analysen mbH
Studienplanung, Datenanalyse und Berichterstattung
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA), Referat 1-14, Köln
Autoren:
Rebecca Zimmering, Dr. Anne-Laure Caille-Brillet, (BZgA); Ute Müller, Joris Desrosiers (forsa)
Im Zeitraum von April bis Mai 2020 wurde eine Befragung zu Wissen, Einstellung und Verhalten der Allgemeinbevölkerung zum Thema Organ- und Gewebespende mit 4.001 Befragten im Alter zwischen 14 und 75 Jahren durchgeführt.
Ein zentrales Ergebnis der Befragung ist eine generell positive Einstellung des Großteils der Befragten zum Thema Organ- und Gewebespende. Sowohl die positive Einstellung als auch die Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende sind sehr hoch. Die Einstellung zum Thema Organ- und Gewebespende erfasst die grundsätzliche Haltung der Befragten zum Thema Organ- und Gewebespende und ist seit 2012 leicht angestiegen: 82 Prozent der Befragten stehen in der aktuellen Untersuchung einer Organ- und Gewebespende eher positiv gegenüber, im Jahr 2012 waren es 78 Prozent. Bei der Bereitschaft zur Organ- und Gewebespende werden die tatsächlichen Handlungs- und Verhaltensweisen in Bezug auf das Thema Organ- und Gewebespende (z. B. die konkrete Spendebereitschaft) erfasst. Sie ist seit 2012 konstant hoch: Grundsätzlich wären aktuell mit 73 Prozent fast drei Viertel der Befragten bereit, selbst Spenderin oder Spender zu werden. 21 Prozent wären damit nicht einverstanden.
Trotz dieser überwiegend positiven Haltungen zum Thema haben nur 62 Prozent der Befragten eine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende getroffen: bei 44 Prozent wurde der Entschluss in einem Organspendeausweis und / oder einer Patientenverfügung dokumentiert. 18 Prozent haben zwar eine Entscheidung getroffen, diese aber nicht schriftlich fixiert. 37 Prozent haben bisher keine Entscheidung zur Organ- und Gewebespende getroffen. Dieser Anteil ist im Vergleich zu der Erhebung 2018 (42 Prozent) etwas rückläufig.
Die generell positive Einstellung spiegelt sich in der Entscheidung zur Organ- und Gewebespende wider, die meistens zugunsten einer Einwilligung ausfällt. Unter den Befragten überwiegt die Zustimmung dazu mit 71 Prozent. Dokumentierte Entscheidungen (auf einem Organspendeausweis und / oder in einer Patientenverfügung) fallen häufiger zugunsten einer Einwilligung der Organ- und Gewebespende aus als Entscheidungen, die nicht dokumentiert wurden. Widerspruch erfolgt am häufigsten, wenn die Entscheidung ausschließlich in einer Patientenverfügung dokumentiert wird.
Auch die Beweggründe für die individuelle Entscheidung bezüglich der Organ- und Gewebespende wurden in der vorliegenden Untersuchung detailliert betrachtet. Bei einer Zustimmung wird mit Abstand am häufigsten der Wunsch, anderen zu helfen bzw. dem eigenen Tod einen Sinn zu geben, als zentrales Motiv genannt. Die Überzeugung, selbst als Spenderin oder Spender nicht geeignet zu sein, die generelle Ablehnung der Organ- und Gewebespende bzw. von lebensverlängernden Maßnahmen sowie Misstrauen gegenüber dem Organspendesystem sind die meistgenannten Gründe für eine Ablehnung. Religiöse, ethische oder spirituelle Gründe werden ebenfalls vergleichsweise häufig angeführt. Der Hauptgrund für eine ausstehende Entscheidung ist meist eine unzureichende oder fehlende Auseinandersetzung mit dem Thema.
Von den Befragten, die bereits eine Entscheidung getroffen haben, geben 79 Prozent an, diese Entscheidung auch jemandem mitgeteilt zu haben. Dokumentierte Entscheidungen wurden häufiger mitgeteilt als nicht dokumentierte. In erster Linie wurde die Entscheidung Angehörigen oder der Partnerin bzw. dem Partner mitgeteilt. Die Befragten, die ihren Entschluss zur Organ- und Gewebespende bislang niemandem mitgeteilt haben, begründen dies überwiegend damit, dass ihnen dazu bisher die Gelegenheit oder eine geeignete Ansprechperson fehlte oder dass sie sich mit dem Thema nicht auseinandersetzen möchten.
Ein weiterer Schwerpunkt der Befragung war die Erhebung des Wissensstandes zum Thema Organ- und Gewebespende. In der objektiven Ermittlung des Kenntnisstandes zeigt sich, dass etwa ein Drittel (34 Prozent) der Befragten als gut informiert einzustufen ist. 61 Prozent sind mäßig und 5 Prozent schlecht über das Thema Organ- und Gewebespende informiert. Dabei steigt der Wissensstand mit zunehmendem formalen Bildungsniveau. Der Wissensstand ist höher bei Fragen zur Regelung und zu den medizinischen Möglichkeiten der Organ- und Gewebespende (Wissensdimension „Spende“) als bei Fragen, die sich auf die Entscheidung zur Organ- und Gewebespende und ihre Dokumentation beziehen (Wissensdimension „Entscheidung“).
Etwas mehr als die Hälfte der Befragten gibt an, sich gut oder sehr gut über das Thema informiert zu fühlen. Mehr Informationen zum Thema Organ- und Gewebespende wünschen sich 42 Prozent der Befragten.
Am 16. Januar 2020 wurde das Gesetz zur Stärkung Entscheidungsbereitschaft im Bundestag verabschiedet. Das Gesetz sieht unter anderem die Einrichtung eines bundesweiten Online-Registers zur Speicherung der persönlichen Entscheidung zur Organ- und Gewebespende vor. 50 Prozent aller Befragten ist bekannt, dass über die Gesetzesänderung abgestimmt wurde und 35 Prozent aller Befragten ist die Einrichtung des Registers bekannt.
Trotz des positiven Trends bei den dokumentierten Entscheidungen ist ihr Anteil mit 44 Prozent (2018: 39 Prozent) immer noch niedrig. Ziel der Aufklärungsarbeit der BZgA ist daher, die Zahl der dokumentierten Entscheidungen weiter zu erhöhen. Um dieses Ziel zu erreichen, werden verschiedene Maßnahmen für die Allgemeinbevölkerung sowie für Teilzielgruppen erarbeitet. Bestehende Maßnahmen werden angepasst und erweitert, neue Konzepte zusätzlich entwickelt. Eine Sensibilisierung für das Thema wird durch die Kombination von massenmedialen und personalkommunikativen Elementen herbeigeführt. Im Fokus dieser Aufklärungsarbeiten steht ein vereinfachter Zugang zum Thema Organ- und Gewebespende und zum Organspendeausweis.